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Da der Geburtstag meiner Frau in
die Zeit des diesjährigen chinesischen Neujahrsfestes fiel, sind
wir für einige Tage von Guangzhou nach Peking gefahren um dort
Geburtstag und Neujahr zu feiern.
Peking
liegt 2300 km nördlich von Guangzhou; es ist dort um einiges
kälter als unten im Süden.
Nach einer zehnstündigen Bahnfahrt mit dem
Hochgeschwindigkeitszug erwartete uns also eine winterlich kalte
Stadt mit Temperaturen teils unter dem Nullpunkt, aber
glücklicherweise auch schon mal sonnigem Wetter.
Das chinesische
Neujahrsfest fällt auf einen Neumond zwischen 21. Januar
und 21. Februar. Anschließend hat praktisch das gesamte Land
eine Woche Urlaub.
So waren die meisten Lokale und Restaurants geschlossen, was für
uns die Auswahl etwas schmälerte. Trotzdem haben wir jeden Tag
etwas zu essen bekommen; für mich waren wieder mal viele
unbekannte und spannende Sachen dabei.
Die Peking-Küche
unterscheidet sich ziemlich von der mir bisher bekannten
kantonesischen Küche.
So wird z.B. bei allem was gebraten wird, viel mehr Öl
verwendet; außerdem habe ich die kantonesische Sitte, zu jedem
Essen Tee zu reichen, sehr vermisst.
Ein kleiner Laden gegenüber von unserem Hotel konnte mich aber
verschiedentlich mit einer abendlichen Flasche Yanjing-Bier
trösten.
Wir hatten uns im HuaQiao
Hotel eingemietet, einem etwa 60 Jahre alten Haus, entworfen von
einem berühmten chinesischen Architekten, heute ein
3-Sterne-Hotel. Das ganze Haus wirkt ein wenig angestaubt und
gestrig, was aber angesichts des Preises und der zentralen Lage
in einer ganz kleinen Gasse im Stadtteil Beixinqiao im Dongcheng
District völlig in Ordnung war.
In dem kleinen Gässchen
spielt sich jede Menge chinesisches Alltagsleben ab von mobilen
Garküchen über kleinste Restaurants bis zum Obst- und
Gemüsemarkt. Mehrfach hatten wir unser Frühstück bei einer
Pfannkuchenbäckerei von einer Fahrrad-Rikscha auf der Straße. (Video)
Dort wurde über einem Kohlefeuer so etwas wie Crêpe auf
chinesisch zubereitet. Sehr herzhaft!
Ebenfalls an einem
Straßenstand hatte ich eine Portion Chou
Doufu (stinkender Tofu). Die Herstellung gleicht so etwa
der unseres Käses: Der Tofu wird mehrere Wochen mit Gewürzen
fermentiert, bis er riecht (je strenger, desto besser der
Geschmack, so sagt man), dann gebraten und mit verschiedensten
Zutaten serviert. Lecker, lecker!
Gehirn aus, Mund auf, schmecken tuts dann von alleine...
Tag 1
Tian'anmen
Platz und verbotene
Stadt gehören wohl zum touristischen Pflichtprogramm aller
Peking- und China-Touristen. Wir haben einen ganzen Tag dort
verbracht und trotzdem bei weitem noch nicht alles gesehen. Ich hatte per Audio-Guide das Vergn�gen einer sehr
kompetenten Führung auf Deutsch.
Von heute aus betrachtet lassen all die Regeln und Vorschriften,
denen das kaiserliche Leben unterworfen war, einen zwiespältigen
Eindruck zurück. Schön war es sicher nicht, Kaiser von China zu
sein...
Für meine Frau war dies bereits der dritte Besuch in Peking, so
hat auch sie mir Plätze und Dinge zeigen können, die ich als
normaler Tourist aus dem Westen sicher nicht gesehen hätte.
Tag 2
Heute waren wir im Shi
Cha Hai Bezirk, einem sehr pittoresken historischen
Stadtbezirk am Nordrand der Innenstadt mit 3 Seen, 10 Tempeln
und unzähligen Bars, Restaurants und anderen gastlichen Stätten.
Der ganze Bezirk steht unter Denkmalschutz und gilt als einer
der schönsten Orte Chinas.
Sehr beliebt im Winter ist hier das Eisschlitten-Fahren auf den
zugefrorenen Seen, ein Vergnügen, dem auch wir uns zum großen
Spaß unserer Kleinen ausführlich gewidmet haben. (Video)
Tag 3
Heute Besichtigung des BeiHai
Parks, der sehr malerisch um einen See herum angelegt ist.
Auf einer Insel im See findet sich als zentrales Element die
berühmte aus dem 17. Jahrhundert stammende "weiße Pagode".
Anschließend Besuch des
direkt benachbarten JingShan
Parks, der hoch auf dem Berg in direkter Verlängerung der
verbotenen Stadt liegt. Der Park hat 5 Gipfel, deren mittlerer
der höchste Punkt Pekings ist. Vom Pavillon des ewigen Frühlings
aus hat man einen sehr schönen Panoramablick über Peking und die
verbotene Stadt.
Beide Parks - BeiHai und JingShan - waren
in früheren Zeiten Teil der verbotenen Stadt und dienten der
Erbauung und Entspannung des Kaisers. Seit 1925 sind beide Parks
für die Öffentlichkeit zugänglich.
Unser Neujahrsessen
hatten wir im hoteleigenen Restaurant:
Lauch, Frühlingszwiebeln, rote Pfefferschoten, Erdnüsse,
Hühnchen und Gewürze.
Dumplings mit Chinakohl-Kräuterfüllung.
Nachts dann das
Silvester-Feuerwerk: Auch die wildesten
Silvester-Feuerwerksorgien in Deutschland sind nur ein schwaches
Kinderspiel gegen das, was die Chinesen verballern. Ich habe
noch nie soo laute Böller gehört! Und das über viele Stunden! In
Deutschland würden Ordnungs- und Gesundheitsbehörden die Haare
zu Berge stehen.
Am nächsten Morgen war aber alles wieder sauber und die Straßen
gefegt; auch das ist bei uns bekanntlich deutlich anders, wir
lassen unseren Silvester-Dreck einfach wochenlang liegen.
Für den Rest der Woche wiederholen sich die Feuerwerke dann
allabendlich in abgeschwächter Form.
Auch wir haben durch Abbrennen kleiner bengalischer
Feuerstäbchen unseren bescheidenen Teil zum Spektakel
beigetragen.
Tag 4
Der chinesische Neujahrstag begann damit,
dass um unser Hotel herum die Straßen - auch für Fußgänger -
gesperrt waren, weil Abertausende Menschen unter starker
Polizeibewachung in Massen zum YongHe Gong Lama-Tempel strebten.
Auch der Metro-Fahrplan war geändert, die Züge hielten nicht an
allen Stationen, teils waren auch Stationen gesperrt, sodass wir
unseren ursprünglichen Plan ein wenig ändern mussten und 2
Stunden später als geplant zur Großen Mauer kamen.
In der Beijing North Station hatten wir dann ein für westliche
Verhältnisse ungewohntes Abenteuer zu bestehen: Da es auf
Kurzstrecken keine reservierten Plätze gibt und mehr Tickets
verkauft werden als der Zug Sitzplätze hat, rast nach
30-minütigem Schlangestehen der ganze Pulk wie von der Tarantel
gestochen zum Zug nach dem Motto: Wer zuerst kommt, sitzt
zuerst. Wir fanden schließlich einen einzelnen Sitzplatz, den
sich meine Frau mit unserer Kleinen geteilt hat; ich hab es mir
derweil mit Anderen im Gepäckraum auf dem Boden bequem gemacht.
Auf Langstrecken ist glücklicherweise jedes Bahnticket
automatisch mit einer Platzreservierung verbunden; trotzdem
gleicht jede Bahnfahrt mit Aufenthalt im Wartesaal und
Schlangestehen beim Ticket-Check einer Massenveranstaltung.
So ungewohnt das Rennen nach einem Sitzplatz für uns Westler
sein mag: In China gehört es zur alltäglichen Normalität und ist
gar nichts Besonderes. Die schiere Masse an Menschen macht
einfach andere Verhaltensweisen erforderlich.
Andererseits: steigt man mit einem kleinen Kind in U-Bahn oder
Bus ein, wird einem fast immer ein Sitzplatz angeboten.
Freundlichkeit gehört also ebenso zum chinesischen Alltag.
Nach 1 1/4 stündiger Bahnfahrt im Bummelzug erreichten wir
schließlich Badaling, von wo man zu einem der für Touristen
freigegebenen Teilstücke der großen Mauer gelangt.
Ein paar Orte auf der
Welt sind es wert, sie einmal im Leben gesehen zu haben; als bis
heute größtes Bauwerk unseres Planeten gehört die chinesische
Mauer sicherlich dazu. Das von uns besuchte Teilstück ist
eines der aufwändiger restaurierten und damit weniger
ursprünglichen.
Wir haben eine ca. vierstündige Wanderung unternommen, die uns
über teils extrem steile Stücke auf- und wieder abwärts führte.
Ein schönes Stück Arbeit für unsere Kleine mit ihren 5 Jahren.
Die Treppenabschnitte sind mitunter so steil und die Stufen so
hoch, dass sie auch für Erwachsene kaum zu bewältigen sind.
Trotzdem sieht man Heerscharen von Menschen hier auf ihrem
Neujahrsausflug in ausgesprochen lebensfroher und ausgelassener
Stimmung.
Tag 5
Frühstück in einem muslimischen Restaurant:
gebratener Reis nach Xin Jiang Art mit Lamm und Karotten,
Süßkartoffel-Nudelsuppe mit Gemüse.
Anschließend stand ein
Besuch im "798
Art District" auf unserem Programm, einem ehemaligen
Industriegebiet, das in einen Kunstdistrikt umgewandelt wurde
mit einer Unzahl von Ateliers, Galerien und Restaurants aller
Art. Hat mich ein wenig an manche Stationen der "Route
Industriekultur" bei uns im Ruhrgebiet erinnert.
Abends dann wieder ein
Besuch im chinesisch-muslimischen Restaurant:
Saure, sehr scharfe Suppe nach Xin Jiang Art mit
Süßkartoffelnudeln, Gemüse und Tomaten, dazu Fladenbrot.
Tag 6
Wir haben das muslimische Restaurant
inzwischen zu unserem Stammlokal erklärt und hatten am nächsten
Morgen dort ein ausgesprochen reichhaltiges Frühstück:
Kartoffeln mit Pfefferschoten,
Nudelsuppe mit Ei und Gemüse,
Gebratener Reis mit Rindfleisch und Ei,
Gekochtes Lamm mit Pfefferschoten
Am frühen Nachmittag
wurde dann der YongHe
Gong Lama Tempel mit der größten Buddha-Statue Chinas
besichtigt. Ursprünglich exklusiv dem Kaiser vorbehalten, ist
dieser Tempel heute eine Sehenswürdigkeit mit großer
Anziehungskraft und eine der größten lamaistischen Tempelanlagen
Chinas.
Eine interessante, schöne und eindrucksvolle Anlage, der
allerdings ein wenig die friedvolle Atmosphäre abgeht, wie sie
mir von den Tempeln in Guangzhou bekannt ist. Grund dafür sind
die unglaublichen Menschenmassen, die den Tempel besuchen. An
normalen Tagen sollen es ca. 100.000 sein, am chinesischen
Neujahrstag waren es etwa 200.000. Erstaunlich, wie viele
Menschen in dieser Betriebsamkeit noch die Ruhe fürs Gebet
finden!
Anschließend ging es zum
Olympia-Gelände mit dem bekannten "Bird's
Nest" Stadion und dem Beijing
National Aquatics Center, auch "Water Cube" genannt. Jeder
kennt das Stadion aus dem Fernsehen und von Bildern, aber erst
wenn man davor steht, wird einem so richtig klar, welch ein
Jahrhundert-Bauwerk man hier besichtigt. Wir trafen mit
einbrechender Dämmerung ein; die höchst effektvolle Beleuchtung
beider Bauwerke wurde mit zunehmender Dunkelheit immer
beeindruckender.
Tag 7
Nach einem schnellen Frühstück an einem
Straßenstand hatten wir heute ein größeres Besichtigungsprogramm
zu absolvieren:
Bei sonnigem aber schneidend kaltem Winterwetter haben wir den
kaiserlichen Sommerpalast
besucht. Hierbei handelt es sich um ein ganzes Ensemble von
Gebäuden verteilt über mehrere Kilometer am Ufer eines Sees.
Besuch und Besichtigung aller Stationen erfordert einiges an
Laufarbeit und etliche Stunden Zeit. Bei Temperaturen unter dem
Gefrierpunkt und eisigem Wind ist uns dabei ganz schön kalt
geworden. Streckenweise habe ich mir eine Kamera mit beheizbarem
Handgriff gewünscht...
Schlussendlich hat sich das Frieren aber gelohnt; ich habe
einige schöne Bilder mit nach Hause gebracht. Näheres zum
Sommerpalast erfährt man in dem lohnenswerten Wikipedia-Artikel
hierzu.
Tag 8
Während unserer Besichtigung des Himmelstempels
Tiantan wurde die alljährliche Neujahrsparade abgehalten. Im
Verlauf der Parade wird unter äußerst farbenprächtigem Gepränge
symbolisch der Kaiser nach dreitägiger Enthaltsamkeit von der
Halle des Fastens abgeholt, um anschließend vor der Halle der
Ernteopfer einen Opferritus zu zelebrieren.
Ein sehenswertes Spektakel, dem Abertausende Zuschauer
beiwohnen. Entsprechend stürmisch war wieder mal das Gedränge um
möglichst gute Plätze. So langsam lerne ich meine Ellbogen zu
schätzen...
Abends dann Hammel-Kebab mit Nudelsuppe und Fladenbrot im
Stammlokal.
Tag 9
Heute stand ein Besuch des Hauptstadt
Museums auf unserer Agenda.
Hier erwartet den Besucher eine eindrucksvolle Sammlung von
Exponaten zur Geschichte Chinas von grauer Vorzeit bis heute
unter Berücksichtigung politischer, religiöser, sozialer und
künstlerischer Aspekte.
Der Museumsbau verleiht dem Ganzen einen mehr als großzügig
konzipierten und architektonisch durchaus kühnen Rahmen.
Die Ausstellung insbesondere der Kunstgegenstände aus den
verschiedenen Epochen ist derart umfassend, dass man hier auch
gut mehr als nur einen Tag verbringen kann, wozu uns leider die
Zeit fehlte, ebenso wie für einen Besuch der direkt benachbarten
chinesischen Nationalbibliothek.
Tag 10
In der Nacht vor unserem Rückreisetag nach
Guangzhou war Schnee gefallen, sodass Züge von Peking mit
teils
dreistündiger Verspätung starteten! Unser Zug -
Hochgeschwindigkeitszug zwischen zwei Metropolen - startete zwar
pünktlich, wurde in den vom Schnee betroffenen Gebieten
allerdings auf 150 statt 300 km/h ausgebremst, was für uns in
einer um 90 Minuten verspäteten Ankunft resultierte und die
Bahnfahrt mit fast 12 Stunden schier endlos scheinen ließ. China
ist halt riesengroß...
Als wir nach 2300 Kilometern schließlich in Guangzhou aus dem
Zug stiegen, wurden wir noch um Mitternacht von Temperaturen um
25°C begrüßt. Direkt vom Frost in den Frühling! Wie gesagt,
China ist riesig...
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Das Wetter für
Peking
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